Was ist gut am Älterwerden, Herr Grönemeyer?

Professor Dietrich Grönemeyer ist Arzt, Buchautor und Moderator. Sein großes Thema ist Gesundheit. Darüber spricht er auch auf dem Deutschen Seniorentag 2021. Am 26. November hält er einen Vortrag zum Thema "Gesund im Alter: Je eher desto besser, aber besser spät als nie". Ein Gespräch vorab.
Was ist gut am Älterwerden, Herr Grönemeyer?
Es passiert einfach. Auf der einen Seite bekommt man mehr Erfahrungen, auf der anderen Seite wird man gebrechlicher. Ich finde, man sieht mit klarem Blick in die Zukunft, wird ruhiger und kann die Welt rückblickend nach vorne anschauen, also das Alte mit dem Neuen verbinden. Das gilt für mich als Lebensprinzip.
Was hilft Ihnen persönlich beim Älterwerden?
Bewusst und mit Freude leben. Auch in schweren Zeiten immer wieder Mut schöpfen. Ich sehe das Älterwerden nicht als Bedrohung, sondern als Chance, mein Lebenswerk weiterzuentwickeln. Das motiviert mich, sorgsam mit mir selbst umzugehen.
Ich bin mal zehn Meter abgestürzt und habe nicht damit gerechnet, dass ich lebendig unten ankomme. Beim Absturz, der mir gleichzeitig ewig lang und total schnell vorkam, war ich unendlich traurig, aber auch sehr gelassen. Ich bin gerettet worden und hatte schwere Verletzungen. Aber ich habe mein Leben wieder nach vorne gerichtet, weil mir klar geworden ist: Das Leben ist ein Geschenk und in der kurzen Zeitspanne, die ich habe, will ich dafür dankbar sein.
Sie haben mal gesagt, Sie wollen hundert Jahre alt werden. Was finden Sie daran so verlockend?
Leben zu dürfen und Gestalten zu können. Ich würde am liebsten nochmal solange leben wollen, wie ich gelebt habe. Ich möchte mit dem, was ich gelernt habe – auch aus den Fehlern – weiter helfen der jungen Generation die Welt von morgen aufzubauen. Ich habe so viel Lust auf so viele Dinge und Themen, die ich noch sehen oder an denen ich teilhaben will. Aber da muss ich auf meine geistige und körperliche Gesundheit achten. Denn das Ideal wäre ja ohne große Gebrechen noch lange leben zu dürfen.
Womit halten Sie sich fit?
Durch eine große Portion Gelassenheit und durch den Versuch, mich bewusst und gesund zu ernähren. Und mit gutem Schlaf. Ich finde es auch sehr wichtig zu genießen. Dazu gehört das Essen. Aber auch die Menschen. Ich versuche, auch in schweren Zeiten wie jetzt unter Corona, mit den Menschen um mich herum in Verbindung zu bleiben, Beziehungen mitzugestalten und das zu genießen. Und dann bin ich auch sportlich aktiv am liebsten im Freien: Fahrradfahren, Wandern, Gehen. Besonders schön finde ich es, wenn es möglich ist, im Meer oder in der Badeanstalt zu schwimmen.
Was sind die drei wichtigsten Tipps, um gesund älter zu werden?
Ich sage bewusst nicht gesund sondern wohlbefindlich älter werden. Denn, wenn jemand krank ist – sei es Arthrose, Krebs oder wenn man einen Herzinfarkt überlebt hat – dann will dieser Mensch ja trotzdem wohlbefindlich alt werden. Im Prinzip gilt das, was uns schon die alten Inder im Ayurveda mitgegeben haben: gesunde und bewusste Ernährung, Bewegung entsprechend seiner Möglichkeiten. Und das Leben selbst mitzugestalten. Selbstverantwortung zu übernehmen ist sehr wichtig, denn jeder Mensch ist anders, jeder hat andere Vorlieben und jeder hat andere Wehwehchen, Zipperlein und Erkrankungen.
Wie viel Bewegung am Tag empfehlen Sie?
Man sollte jeden Tag ein bisschen aus der Puste kommen, um das Herz in Wallung zu bringen, das Hirn mit Sauerstoff zu versorgen und die Gefäße zu trainieren. Deswegen ist für mich mindestens eine Stunde Bewegung am Tag ein gutes Maß. Heute wissen wir ganz sicher, dass Bewegung auch geistig fit hält. Sie hilft auf gute Gedanken zu kommen, Lösungen zu finden und gelassener zu werden. Auch die Bewegung der Hände ist wichtig – Musizieren, Nähen, Gartenarbeit – mit den Händen begreifen wir ja das Leben.
Interview: Valeska Zepp