Was ist gut am Älterwerden, Sarah Straub?

Sarah Straub, Jahrgang 1986, ist Demenz-Expertin, Liedermacherin und Autorin. Die promovierte Psychologin forscht am Universitätsklinikum Ulm zu Demenz und leitet dort eine Spezial-Sprechstunde. Sie tritt in ganz Deutschland mit Vorträgen und Konzertlesungen auf, in denen sie über Demenz aufklärt. Dabei spielen ihre Erfahrungen mit der Demenz-Erkrankung ihrer Großmutter und aus dem Klinikalltag eine Rolle. Auch auf dem 14. Deutschen Seniorentag stellt sie das Thema Demenz in den Mittelpunkt einer Konzertlesung, mit eigenen Liedern, Texten und einem Schuss Heiterkeit.
Was ist gut am Älterwerden?
Ich bin jetzt Ende 30 und glaube, die beste Zeit meines Lebens liegt noch vor mir. Jedes Jahr Lebenserfahrung empfinde ich als Bereicherung, denn so mancher Konflikt, der mich im Teenager-Alter aus der Bahn geworfen hätte, relativiert sich mit höherem Lebensalter. Älterwerden bedeutet für mich auch, mich selbst immer besser kennenzulernen. Und doch bin ich mir bewusst, dass ich noch gar nicht wissen kann, was wirklich gut ist am Älterwerden. Ich freue mich auf alles, was kommt, und lerne bis dahin von den älteren Menschen in meinem Leben.
Wofür engagieren Sie sich?
Für ein gutes Leben mit Demenz. Ich möchte helfen, dieses Thema zu enttabuisieren, denn es gehört zu unserer Lebensrealität dazu. Ich wünsche mir, dass wir Menschen mit Demenz auf Augenhöhe begegnen, sie wirklich in unserer Mitte halten, und dass wir alle gemeinsam mutig mit dem Thema umgehen.
Was hätten Sie gern früher gewusst?
Wie wertvoll es ist, mit älteren Menschen wirklich ins Gespräch zu gehen. Sie haben über Jahrzehnte hinweg Erfahrungen gesammelt und Herausforderungen gemeistert, die wir Jüngeren uns oft kaum vorstellen können. Wenn wir uns wirklich die Zeit nehmen zuzuhören, können wir viel über das Leben lernen – über Geduld oder über Werte, die auch in schwierigen Zeiten Bestand haben. Ich bin dankbar, bei meiner Arbeit als Leiterin einer Demenz-Ambulanz jeden Tag großartige Menschen zu treffen und ihre beeindruckenden Geschichten zu hören.
Worauf kommt es in diesen Zeiten an?
Menschlichkeit ist für mich der wichtigste Wert unserer Zeit. In einer Welt, die von politischen Unruhen und kriegerischen Konflikten erschüttert wird und in der gleichzeitig von jedem Einzelnen hohe Leistungsbereitschaft gefordert ist, erscheint es mir umso wesentlicher, Werte wie Empathie, Respekt, Mitgefühl und Rücksichtnahme zu leben. Das Prinzip der Nächstenliebe ist für mich dabei das höchste Gut und gibt mir immer wieder Orientierung.
Zur Veranstaltung „Wie meine Großmutter ihr ICH verlor” im Musensaal